Diabetische Cochleopathie

Zusammenhang zwischen Diabetes und Hörverlust

Mehrere Forschungsprojekte haben einen Zusammenhang zwischen Hörverlust und Diabetes Typ 1 und Typ 2 nachgewiesen.

Am 1. Januar 2011 war bei 801.000 Menschen in den Niederlanden Diabetes mellitus diagnostiziert. Dies entspricht 4,8 % der niederlandischen Bevölkerung. 5 – 10 % hatten Typ-1-Diabetes und 90 – 95 % Typ-2-Diabetes.

Zu den Komplikationen gehören Probleme mit den großen Blutgefasen im Körper (makrovaskulare Schädigung: ischamische Herzkrankheit, zerebrovaskulare und periphere atherosklerotische Komplikationen), Veränderungen in den kleinen Gefäßen (mikrovaskulare Schädigung), die zu Nierenversagen und Erblindung führen, sowie Nervenschädigungen im peripheren Nervensystem (Neuropathie), die für chronische Schmerzen und Fusulcera verantwortlich sind.

Mehrere Forschungsprojekte haben einen Zusammenhang zwischen Hörverlust und Diabetes nachgewiesen. Jedoch ist der Hörverlust als Komplikation von Diabetes noch wenig bekannt.

Diese Literaturstudie beschreibt die Histopathologie der diabetischen Cochleopathie.

Anatomie

Die Cochlea ist ein schneckenförmiger Hohlraum im knöchernen Labyrinth des Innenohrs. Bei Menschen besitzt sie 2 3/4 Windungen. Die zentrale Säule der Cochlea ist der Modiolus. Dieser schneckenförmige Hohlraum unterteilt sich in drei Kammern: die Scala vestibuli (Vorhoftreppe), die Scala media (Schneckengang) und die Scala tympani (Paukentreppe).

Die Reisner-Membran liegt zwischen der Scala vestibuli und der Scala media, während die Basilarmembran die Scala media von der Scala tympani trennt. Das Hauptorgan des Gehörs, das Corti-Organ, liegt auf der Basilarmembran innerhalb des Schneckengangs und beherbergt die inneren und äußeren Haarzellen. Die Spiralganglionzellen sind mit den Nervenfasern der Cochlea verbunden (Abbildung 1 im Konsensuspapier).

Blutzufuhr

Die Blutzufuhr für die Cochlea kommt aus der Arteria cerebelli inferior anterior und strömt durch die Arteria spiralis modioli und die Cochlea-Abzweigung der Arteria vestibulocochlearis. Ein Kapillarsystem befindet sich in der Stria vascularis und in der Basilarmembran.

Histologische Veränderungen

Mehrere histologische Veränderungen werden in der Cochlea bei Patienten mit Typ-1- und Typ-2-Diabetes beobachtet, die vor allem das Gefäßsystem betreffen.

Typ-1-Diabetes

Bei unterschiedlichen Studien wurde eine Verdickung der Gefäßwände der Basilarmembran und der Gefäße der Stria vascularis in allen Windungen bei Patienten mit Typ-1-Diabetes mellitus beobachtet. Außerdem kann eine Atrophie der Stria vascularis in allen Windungen mit einem Verlust der äußeren Haarzellen beobachtet werden. Ein Verlust der Zellen des Ligamentum spirale wurde ebenfalls festgestellt.

Typ-2-Diabetes

Mehrere Studien haben Typ-2-Patienten in zwei Gruppen unterteilt: Die eine Gruppe wurde mit Insulin und die andere mit oralen blutglukosesenkenden Mitteln behandelt. Diese wurden mit einer nicht diabetischen Kontrollgruppe verglichen. In der Insulingruppe waren die Gefaswande der Basilarmembran und die Gefase der Stria vascularis in allen Windungen signifikant dicker (6,97 μm) als bei der Kontrollgruppe (3,77 μm) (Grafik 1).

In der Gruppe, die glukosesenkende Mittel erhalten hat, waren die Wände der Gefäße der Stria vascularis ebenfalls signifikant dicker als in der Kontrollgruppe, vor allem in der basalen Windung der Hörschnecke (5,08 μm).

Neben den vaskularen Veränderungen wurde eine Atrophie der Stria vascularis in den unteren basalen, unteren mittleren, oberen mittleren und apikalen Windungen der Hörschnecke in der Insulingruppe und vor allem in der unteren mittleren Windung (keine Veränderungen in der apikalen Windung) in der Gruppe beobachtet, die glukosesenkende Mittel erhalten hatte. Es wurde außerdem ein signifikanter Verlust der äußeren Haarzellen, vor allem in den unteren und oberen basalen Windungen, jedoch kein Verlust der inneren Haarzellen festgestellt.

Vergleich von Typ-1- und Typ-2-Diabetes mellitus

Eine signifikante Verdickung der Cochlea-Gefäßwand wurde im Vergleich zur Kontrollgruppe sowohl bei Patienten mit Typ-1-Diabetes als auch bei Patienten mit Typ-2-Diabetes beobachtet. Diese war bei den Patienten mit Typ-2-Diabetes ausgepragter als bei den Patienten mit Typ-1-Diabetes. Auch war die Verdickung der Gefäßwand starker bei der mit Insulin behandelten Typ-2-Diabetes-Gruppe als bei Typ-1-Diabetes. Dieser letztgenannte Unterschied konnte sich durch die Tatsache erklären lassen, dass bei Patienten mit Typ-2-Diabetes, die mit Insulin behandelt werden, die Krankheit weiter fortgeschritten ist.

Audiologische Veränderungen

Mehrere Studien berichten von einem sensorineuralen Hörverlust bei Diabetespatienten. Mehrere histologische Veränderungen werden in der Cochlea bei Patienten mit Typ 1 und Typ 2 Diabetes beobachtet, die vor allem das Gefäßsystem betreffen.

Lärmbelastung

In der Literatur wird von einer Korrelation zwischen Larmbelästung und Hörverlust bei Diabetespatienten berichtet. Studien zu Streptozotocin-induziertem Diabetes bei Ratten und Mausen ergaben eine verzögerte Wiederherstellung nach der Lärmbelastung und einen signifikanten Anstieg des permanenten Hörverlusts, vor allem bei 4 und 8 kHz. Diese Korrelation wurde bei Diabetespatienten bestätigt, die in einer geräuschvollen Umgebung leben/arbeiten. Diabetespatienten scheinen anfälliger für lärminduzierten Hörverlust zu sein. Dies konnte auf die beeinträchtigte Wiederherstellung nach lärminduzierten Verletzungen zurückgeführt werden (Grafik 3 im Konsensuspapier).

Neben dem Hörverlust wurden histologische Veränderungen während der Lärmbelastung beobachtet: Die Durchblutung der Hörschnecke war in den ersten beiden Tagen der Lärmbelastung bei diabetesinduzierten Mausen im Vergleich zur Kontrollgruppe signifikant verringert.

Kausalmechanismus

Eine deutliche Ursache der diabetischen Cochleopathie wurde nicht gefunden, jedoch wurden mehrere Hypothesen formuliert, die den sensorineuralen Hörverlust bei Diabetespatienten erklären.

Einige Autoren haben vorgeschlagen, dass die Gefäßbeeinträchtigungen, wie zum Beispiel die Verdickung der Cochlea-Gefäßwände und die verminderte Durchblutung der Hörschnecke, die zugrunde liegende Ursache des sensorineuralen Hörverlusts sein konnten. Andere wiederum haben argumentiert, dass der Hörverlust nicht vollständig durch die Gefäßfunktionsstörungen erklärt werden kann. Freie Sauerstoffradikale waren ebenfalls an der Funktionsstörung der äußeren Haarzellen der Cochlea sowie am sensorineuralen Hörverlust beteiligt.

Parallele zur diabetischen Retinopathie

Die Verdickung der Basilarmembran und die Veränderungen der Durchblutung wurden sowohl bei der diabetischen Retinopathie als auch bei der diabetischen Cochleopathie beschrieben. Bei der diabetischen Retinopathie entspricht die Verdickung der Gefäßwände der mangelnden kapillaren Autoregulation, der gestörten Kommunikation zwischen Endothelzellen und Perizyten und einer unzureichenden Zellinteraktion. All diese vaskularen Veränderungen fuhren zusammengenommen zur Störung der Blut-Retina-Schranke und zu einer verminderten Retinafunktion.

Bei Diabetespatienten wird eine Veränderung der Retinadurchblutung, die im frühen Stadium der Krankheit reduziert ist, beobachtet. Im fortgeschrittenen Stadium sind die Gefäße erweitert, was zu einer erhöhten Retinadurchblutung führt.

Schlussfolgerung

Die epidemiologischen Daten belegen den sensorineuralen Hörverlust sowohl bei Typ-1- als auch bei Typ-2-Diabetes. Histologische Veränderungen werden beschrieben, die zwischen dem zugrunde liegenden Krankheitsprozess und dem Auftreten des Hörverlusts stattfinden können. Weitere Forschungen sind erforderlich, um zu bestätigen, dass der sensorineurale Hörverlust nicht auf Störfaktoren zurückzuführen ist. Außerdem wurden diese weiteren Forschungen uns helfen, unsere Kenntnisse der genauen Kausalmechanismen, die für die beobachteten histologischen Veränderungen verantwortlich sind, zu erweitern.

 

Publikation: Hörvermögen und Diabetes

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